publiziert in: "Organised Sound" Vol.8 / 2, Cambridge
University Press, January 2004
Der vollständige Artikel umfasst zusätzlich eine kurze inhaltliche
Beschreibung sowie eine ausführlich Einleitung der Musikwissenschaftler
John Dack und Ralf Nuhn und kann auch als englischer Originaltext auf unserer
Homepage abgerufen werden.
KLANG
- ZEIT - RAUM - BEWEGUNG
Die
RaumklangInstallationen des Künstlerpaares <sabine schäfer //
joachim krebs>
von
<sabine schäfer // joachim krebs>
Nachwort in englisch: Ralf Nuhn and John Dack
Lansdown Centre for Electronic Arts, Middlesex University London
I. Verräumlichung der Zeit - Verzeitlichung des Raums
Die modernen Wahrnehmungslehren fußen alle mehr oder weniger auf
der Tatsache, daß die Zeit- und Raumwahrnehmung des Menschen sich gegenseitig
bedingen. Eine Distanz, die der Mensch - oder auch ein Klang - im Raum zurücklegt,
wird vor allem als zeitliches Phänomen begriffen, anhand dessen der Mensch,
durch Messen und Vergleichen, seine subjektive RaumZeitvorstellung entwickeln
kann.
Bewegung im Raum wird somit Zeit. Zeitstrecken werden zu räumlichen Distanzen. Zeitempfinden realisiert sich durch Raumempfinden und umgekehrt. Raum wird durch das Erleben der im Raum real bewegten Klangereignisse zur Erfahrung von Zeit. Zeit wird dadurch zu einem offenen, imaginären Werdensprozeß von gedachtem Raum. Entgrenzte, vom linear gerichteten Zeitfluß befreite, offene Räume dienen als Repräsentationsflächen für sich ständig im Wandel befindliche Werdensprozesse von Übergängen.
Zwischen ZeitRäumen und RaumZeiten gibt es mannigfaltige Arten von Zwischenzonen mit ihren ZwischenRäumen und ZwischenZeiten.
Dies alles führt zur Auflösung des realen Aufführungsraums, in der die Zeit selbst eine linear-dramaturgisch, final gerichtete Vorstellung (von Raum?) inszeniert.
Anstelle dessen setzt ein zyklisch, nicht-lineares Zeitbewußtsein das Bedürfnis nach "Eintauchen" in den psychischen Innenraum frei, um durch konzentrierte Wahrnehmung von vordergründig ereignislosen, auf elementar-harmonikal einfachen Klangmaterialien und -transformationen beruhenden Klangereignissen, den physikalischen Außenraum mitsamt seiner Effektivzeit und inhaltlich besetzten Gedankenräumen auszublenden, damit der Blick, oder besser das Hören, frei werden, um Gegenwart als Möglichkeit von Übergängen - von Augenblick zu Augenblick - frei fließender Zustände zu erfahren.
In den RaumklangInstallationen
des Künstlerpaares <sabine schäfer//joachim krebs> werden
spezifische Klangräume kreiert, die substantiell die Bewegung des Klangs
im Raum kompositorisch einbeziehen. Einzelne Klangschichten der Komposition
werden sozusagen in den äußeren Raum transferiert und über
eine im Raum installierte Lautsprechermatrix - computergestützt und mit
Hilfe einer exklusiv für das Künstlerpaar entwickelten Software
- verschieden im Raum bewegt bzw. in den Raum gesetzt. Spezifisch für
diese Raumklangkunst ist somit die freie Verteilung der Klangquellen im Raum
und der um die reale Bewegung der Klänge erweiterte, kompositorische
Klangraum. Dieser kompositorische Klangraum - primär als Zeitkunst definiert
- avanciert somit auch zur Raumkunst. Vergleichbar dem Medium Film / Video,
in dem das vormals statisch sich repräsentierende Bild durch seine Bewegung
nun als Zeitkunst erlebbar wird.
Das Erleben der im architektonischen Raum bewegten Raumklang-Ereignisse intendiert
nicht nur eine intensive räumliche Erfahrung, sondern wird auch zur Erfahrung
von akustisch künstlerisch gestalteter Zeit.
Einzelne, im Raum verteilte Klangpunkte/Schallquellen werden durch Bewegung
zu quasi organisch wuchernden Klanglinien, die - ihrerseits wieder zu einer
artifiziellen RaumZeitMatrix verbunden - in der "NichtZeit" freischwebende
RaumZeitNetze akustisch imaginieren.
Raum und Zeit werden dabei selbst zu interagierenden Wahrnehmungsqualitäten, die permanent zwischen "realem" und "irrealem" RaumZeitEmpfinden fluktuieren.
II. Künstliche Klanglandschaften
zwischen purer Natürlichkeit und reiner Abstraktion
In fast allen Künstlerpaar-Werken ab 1995 bilden im Bereich der RaumklangInstallationen
die amorphen Tier-/Naturlaute bzw. -klänge sowie heterogene Alltagsgeräusche
aus dem menschlichen Umfeld und Lebensraum die wichtigsten Ausgangsklangmaterialien.
(Jedoch keine Sprache, keinen Gesang sowie Instrumentalklänge oder synthetisch
erzeugte Klangmaterialien!) Nachfolgend werden hier die wesentlichsten Aspekte
der künstlerischen Arbeitsweise des Künstlerpaars dargestellt.
Ein erster, wichtiger Arbeitsschritt
bei der Komposition bildet das intensive Studium der einzelnen (vor)gefundenen
und (aus)gesuchten Geräusche und Klänge. Wichtigste Frage hierbei:
Welche natürlich vorhandene und welche zukünftige artifizielle Konsistenz
birgt jeder einzelne Klang im zunächst unhörbaren, molekularen Innenbereich
der Mikrostruktur. Die Geräusche und Klänge werden deshalb, mit
dem Instrumentarium des digitalen Samplers aufgezeichnet. Bis in den kleinsten
Molekularbereich stellt der Sampler dem Klangkünstler einzelne Binnenstrukturpartikel
dieser Geräusch-Klangmaterie zur künstlerischen Weiterarbeit zur
Verfügung.
Mit diesen "abstrakten Maschinen" - um einen Begriff der französischen
Philosophen Deleuze/Guattari zu zitieren - wird quasi eine von uns sogenannte
"EndoSonoSkopie" der einzelnen Klangmaterialien vorgenommen, um
dem organischen Klanggewebe einzelne Klangproben (sog. Samples oder Fragmentmuster)
zu entnehmen. Die Sampler dienen dabei als Audio-Mikroskop mit einem Komplex
von Schnittstellen, die in das organische KlangGefüge eindringen, um
dessen Variationen aufzuzeichnen, zu molekularisieren und in einem weiteren
Arbeitsgang diese dann künstlerisch zu transformieren.
Zuvor nicht wahrnehmbare Binnen-Polyphonien und harmonikale Klangfelder der sich eröffnenden inneren Resonanzräume werden nun hörbar. Es geschieht quasi ein Aufklappen und Veräußerlichen der inneren Intensitäten des jeweiligen Klangs.
War dies alles eine unter quasi wissenschaftlichem Aspekt des Beobachters und Forschers durchgeführte "vorbereitende" Arbeit, wird es nun für den eigentlichen künstlerischen Kompositionsprozeß interessant. Denn nun gilt es durch unterschiedlichste artifizielle Transformationen, der sorgsam bereitgestellten Klangmaterialien, eine künstlich kreierte Konsistenzbildung zu erzeugen.
Die artifizielle Konsistenzbildung als symbiotisch-fluoreszierendes Tier-Natur-Geräusch-Werden von Klang an sich gelingt hier um so mehr wie das Tier bzw. die Natur oder das Geräusch etwas "Anderes" wird: reine Linie, reine Farbe, reiner Klang, reiner Rhythmus, reine Bewegung, reine Figur....reiner Zustand.
Desweiteren werden in einem quasi akustischen Amalgamierungsprozeß sog. "artifizielle KlangMilieus" geformt. D.h. eine temporär existente, spezifische Mischung von Klangsubstanzen und -Partikel bildet, in symbiotischer Mannigfaltigkeit - immer aus der Mitte heraus (mi/Mitte lieu/Ort) - durch eigendynamisch wuchernde Selbstintensivierungsschleifen (loops) dynamisch vorangetriebene KlangEnergieGefüge.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Klang- und Geräuschmikroskopierung ist die Auflösung der semantischen Bedeutung des jeweiligen Klangs. War der Klang in seiner Originaltonhöhe als etwas "Bestimmtes" identifizierbar, z.B. ein Frosch oder eine Kröte, entrückt er seinem ursprünglichen semantischen Charakter je stärker der Augmentationsfaktor ist. Man könnte auch sagen, daß die subjektive Inhaltsmaterie des Originalklangs sich in eine entsubjektivierte Ausdrucksmaterie des transformierten Fragmentmusters verwandelt. Es bilden sich Zwischenplateaus in changierender Konsistenzbildung, zwischen konkret und abstrakt, natürlich und künstlich usw.
Die künstliche Klanglandschaft
erscheint somit als Ensemble von entsubjektivierten Ausdrucksmaterien im künstlerisch
geschichteten Klangsystem der horizontalen, rhythmisch-melodischen Klangfigur
und dem vertikalen, resonanz-harmonischen Klangraum.
III.
Die fünf wichtigsten
Raumklang-Installationsarten
Im Laufe der Jahre haben sich u.a. durch unterschiedlichste
Aufführungssituationen verschiedene Raumklang-Installationsarten herauskristallisiert
und entwickelt, von denen im nachfolgenden die fünf wichtigsten dargestellt
werden:
Das RaumklangObjekt Der umgehbare RaumklangKörper Der begehbare RaumklangKörper Raum-im-Raum Konzertanter RaumklangKörper
1. Das RaumklangObjekt
Charakteristisch für das RaumklangObjekt ist eine zweidimensionale Anordnung
der Lautsprecher, die in eine Richtung abstrahlen. Hierdurch ergibt sich vor
dem jeweiligen Objekt eine optimale Rezeptionszone, in der sich der Besucher
dem Objekt nähern bzw. von dem er sich entfernen kann. Zumeist sind die
RaumklangObjekte deshalb auch an einer Wand entlang positioniert.
Die Abbildung 1 zeigt das RaumklangObjekt "Sonic Lines", ein Auftragswerk
der Nuova Consonanza Rom 1998. Die zweidimensionale Lautsprecheranordnung ist
in Form einer achtgliedrigen Linie entlang der Mamorwand im Foyer des Goethe-Instituts
in Rom plaziert. Der Lautsprecheraufbau des RaumklangObjekts ist inspiriert
durch die spezifischen Dimensionen der architektonischen Raums. Deutlich erfahrbare
"Linien-Klänge" (in Form von rollenden Kugelmotiven) werden durch
Wasserklänge kontrapunktiert, die - in sich fluktuierend bewegt - den flüssigen,
nicht konsistenten Zustand der achtkanaligen RaumklangKomposition repräsentieren.
Die Abbildung 2 zeigt das RaumklangObjekt "Hörbild". Das elfgliedrige
Lautsprecherensemble ist in einer monochromen, blauen Klangwand eingelassen,
wodurch ein tafelbildähnliches Objekt entsteht.
Die Lautsprechermatrix des Hörbildes bildet die Form eines Unendlichkeitszeichens.
Aber nicht nur auf der Bahn der unendlichen Schleife bewegt sich der Klang,
vielmehr wird das Lautsprechertableau zu einem Territorium, einem Gefüge
für Klänge, die sich auf diesem ausbreiten, verdichten, verflüchtigen
und wieder konsistent werden.
Das RaumklangObjekt entstand im Auftrag des Siemens Arts Program München
und wurde bei den Berliner Festwochen 1995 mit den 11-kanaligen RaumklangKompositionen
"Tableau I-III" zum erstenmal präsentiert. Weitere Werke wurden
für die erste Ausstellung der Klanggalerie des Sender Freies Berlin (SFB)
und für die MusikTriennale Köln, im Auftrag des Studio Akustische
Kunst des WDR (Klaus Schöning) 1997 produziert.
2.
Der umgehbare RaumklangKörper
Der
umgehbare RaumklangKörper ist eine Raumklang-Installationsart, deren Einzel-Exponate
einen dreidimensional-skulpturalen Aufbau der Lautsprecher besitzen, die in
verschiedene Richtungen abstrahlen können und die spezifisch für den
jeweiligen architektonischen Raum entwickelt werden. Die Verteilung der Klangquellen
im Raum ist so angelegt, daß ein horizontaler bzw. vertikaler, linienförmiger
Lautsprecherkörper geformt wird, um den man herumgehen kann und über
den die einzelnen Klangschichten mit spezifisch dafür entwickelten Bewegungstypen
erklingen.
Die
Dimensionen bzw. Maße des jeweiligen Lautsprecherkörpers orientieren
sich an der Größe des Aufführungsraumes. Bei Bedarf wird für
das Lautsprecherensemble ein Objekt entwickelt, auf dem die Lautsprecher montiert
sind, wie dies z.B. in den Abbildungen 3 und 4 zu sehen ist..
Da die Lautsprecher in verschiedene Richtungen abstrahlen können und das Lautsprecherensemble frei im Raum plaziert ist, so daß der Besucher - im Gegensatz zum RaumklangObjekt - den RaumklangKörper aus verschiedenen Richtungen wahrnehmen kann, verweist der Begriff "umgehbar" somit vor allem auch auf die dreidimensionale Rezeptionsweise der variablen Hörperspektiven, die im gesamten Raum von gleichwertiger Qualität sind.
Die beiden hier vorgestellten Beispiele aus der Projektreihe "Sonic Lines n´Rooms" repräsentieren einen achtgliedrigen "diagonal- horizontalen" (Abb.3) sowie einen achtgliedrigen "diagonal- vertikalen" (Abb. 4), umgehbaren RaumklangKörper. Die Lautsprecher sind jeweils auf einer, den Raum quer durchziehenden, ca. 10 m langen Stahl-Traverse montiert. Die Abbildungen zeigen zwei der insgesamt vier Räume des Gewölbekellers der Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek, für die das Künstlerpaar eine vierteilige Raumklanginstallation, als Auftragswerk anläßlich der Donaueschinger Musiktage 1999, kreiert hat.
3.
Der begehbare RaumklangKörper
Charakteristisch für
den begehbaren RaumklangKörper ist der künstlerisch-poetische Umgang
mit dem architektonischen Raum. Dieser wird durch die artifizielle Transformierung
des Rohmaterials "Raum vor Ort" initiiert, um den komponierten Klangraum
durch die dreidimensionale Bewegung der Klänge zu öffnen und Zustände
des akustischen "Spezifisch-Werdens" von architektonischem Raum zu
ermöglichen.
Die Lautsprecherkonfiguration eines begehbaren RaumklangKörpers umfaßt
fast immer den gesamten architektonischen Raum. Meistens sind die Lautsprecher
ringsum an den Wänden entlang auf verschiedenen Höhenebenen plaziert,
so daß der Besucher - umgeben von dem Lautsprecherkörper - sich im
Raum frei bewegen kann, um unterschiedlichste Hörperspektiven zu erfahren.
Spezifische Klangräume
entstehen, die u.a. durch die speziellen Eigenschaften der jeweiligen Architektur
geprägt werden. Es vollzieht sich quasi eine "akustische Topographierung",
so daß die Dimensionen des imaginären Hörraums und des real
"schallenden" Klangraums sich verweben und einen Zustand eines spezifischen
Raum-Zeit-Kontinuums kreieren.
Durch den Aspekt der Permanenz erhalten diese Zustände in ihrem Gleich-Sein
/-Bleiben und ihrer ständig variierten Wiederholung eine gewisse Authentizität
des "Wirklichen".
Für den Rezipienten schaffen realer Raum und bewegter Klangraum spezifische
Synergien. Der imaginäre Vorstellungsraum entwickelt sich (durch den bewegten
Klang und die eigene Bewegung) innerhalb des realen Raums. Hier geschieht gewissermaßen
eine Aufhebung der "wirklichen" Raumgrenzen. Mentale Prozesse der
Ortsveränderung werden initiiert, die - obwohl imaginär und losgelöst
- gerade auch durch den inszenierten "realen" Ort mit seiner entsprechenden
Klangarchitektonik evoziert werden.
Ein spezifischer Raum entsteht, um die Wahrnehmung selbst spezifisch werden
zu lassen.
Die
abgebildeten begehbaren RaumklangKörper (Abb. 5 und 6) sind Bestandteil
des 4-teiligen RaumklangInstallationsprojekts "Sonic Lines n´Rooms".
Das vierteilige Gesamtensemble - mit einer 32-kanaligen Raumklangkompostion
für 4 x 8 Lautsprecher - ist die erste Produktion des Künstlerpaares
zur gleichnamigen Projektreihe "Sonic Lines n´Rooms". Die Reihe
verknüpft die zwei verschiedenen Raumklang-Installationsarten "umgehbarer
RaumklangKörper" und "begehbarer RaumklangKörper",
die je nach Projekt einzeln oder kombiniert zur Anwendung kommen.
Der
RaumklangKörper 3 aus "Sonic Lines n´Rooms" wurde im Jahr
2000 als einzelner begehbarer RaumklangKörper bei der "KlangArt Buch",
veranstaltet von der Akademie der Künste Berlin, uraufgeführt. Die
erste konzertante Aufführung der RaumklangKomposition "Sonic Lines
n´Rooms No.3" fand im selben Jahr in Rotterdam (NL) im Rahmen der
"v_2"-Veranstaltungsreihe "Time-Based Space" statt.
Der RaumklangKörper 4 aus "Sonic Lines n´Rooms" wurde zum
erstenmal im Rahmen des Festivals MIX.01 in Aarhus (DK) 2001 einzeln präsentiert
und die RaumklangKomposition "Sonic Lines n´Rooms No.4" im Rahmen
des 10th Florida Electroacoustic Music Festival in Gainesville (USA) uraufgeführt.
Natürlich gibt es auch
vielfältige Mischformen der drei beschriebenen Raumklang-Installationsarten
(RaumklangObjekt, umgehbarer und begehbarer RaumklangKörper), wovon nachfolgend
zwei Möglichkeiten exemplarisch vorgestellt werden.
A. Mischform von begehbarem und umgehbarem RaumklangKörper mit RaumklangObjekt
Die
lichtinszenierte 18-gliedrige RaumklangInstallation LOST (Abb.7) wurde für
hohe Räume mit langen Nachhallzeiten kreiert und zum erstenmal 1992 im
Lichthof des Badischen Kunstvereins in Zusammenarbeit mit dem ZKM (Center for
Art and Media) in Karlsruhe ausgestellt. Die RaumklangInstallation ist vor allem
durch eine ca. 7 m hohe, 6-gliedrige Lautsprecher-Säule (Abb.7, Ebene A)
geprägt. Über dieses RaumklangObjekt stürzen Klangmassen hinab
und ziehen sich in bestimmten Phasen auch wieder hinauf.
Beim Betreten des Raumes über
die im oberen Stockwerk gelegene Galerie ist der Besucher zeitweilig von einem
Klangband umgeben, das sich über einen begehbaren RaumklangKörper
in Form eines 6-gliedrigen Lautsprecher-Halbkreises (Abb.7, Ebene B) bewegt
und die fallenden Klang-Gesten kontrapunktiert. Der am Boden positionierte umgehbare
RaumklangKörper der Ebene C überträgt vor allem fluktuierende
Klangfarbgrundierungen und bildet das Klangtableau für die bewegten Klänge
der Ebenen A und B.
B. Mischform von begehbarem RaumklangKörper mit zwei umgehbaren RaumklangKörpern
Die lichtinszenierte 28-gliedrige
RaumklangInstallation "TopoPhonicPlateaux" (Abb. 8) besteht aus einem
27-gliedrigen Lautsprecher-Ensemble mit einem computer-gesteuerten Konzertflügel.
Die 28-kanalige RaumklangKomposition wurde - als Auftragswerk der Donaueschinger
Musiktage 1995 - speziell für den Sternensaal in Donaueschingen konzipiert.
Drei Installationskomponenten sind für diesen RaumklangKörper prägend
(siehe hierzu Graphik, Abb. 8).
Komponente 1: Ein Außenkreis - gebildet aus
15 Lautsprechern -, der am rechten Bühnenrand beginnt und am linken Bühnenrand
abschließt. Die Lautsprecher sind in einer sukzessiv ansteigenden und
wieder abnehmenden Höhe positioniert. Der computergesteuerte Konzertflügel
befindet sich auf der Bühne und schließt somit als 16. Glied den
raumumfassenden Lautsprecherkreis. Der Flügel wird real-time angesteuert
und ist über den Computer mit dem Lautsprecherensemble synchronisiert.
Komponente
2: Zwei Säulen - gebildet aus jeweils 4 Lautsprechern -, die im
Innenraum, sich gegenüberliegend, positioniert sind. Die Lautsprecher sind
in der Höhenposition versetzt angeordnet und strahlen in verschiedene Richtungen
ab. Die beiden Lautsprecher-Säulen repräsentieren typische umgehbare
RaumklangKörper.
Komponente 3: Vier Lautsprecher, die jeweils
in den Ecken des Raumes auf dem Boden positioniert sind. Diese Lautsprechergruppe
legt Klanggrundierungen in den Raum und erweitert den unter Komponente 1 beschriebenen
Lautsprecherkreis zu einem 20-gliedrigen begehbaren RaumklangKörper.
4. Raum-im-Raum
Dieses künstlerische
Konzept geht von einem eigenständigen begehbaren RaumklangKörper als
"Raum im (architektonischen) Raum" aus. Das heißt, der begehbare
RaumklangKöper wird dadurch auch gleichzeitig umgehbar.
Durch die Verbindung
der Eigenschaften der Umgeh- und Begehbarkeit entstehen neue Qualitäten,
die zu einer eigenständigen Raumklang-Installationsart führen. Ein
Beispiel hierfür ist der von uns kreierte RaumklangKöper "Klangzelt"
aus der Projektreihe "SonicRooms" (Abb.9).
Der
Präsentationsort des RaumklangKörpers selbst wird hier nicht in seinen
architektonischen Dimensionen akustisch durchschritten - oder besser gesagt
"durchschallt" - um quasi den Raum an sich "hörbar"
zu machen, sondern im Gegenteil handelt es sich hier, vor allem wenn man sich
im Innern des RaumklangKörpers befindet, um die weitestgehende Eliminierung
der realen - visuellen wie akustischen - Umgebung des Ortes, an dem der begehbare
RaumklangKörper - quasi ein Raum im Raum - aufgestellt ist.
Das Innere des RaumklangKörpers
"Klangzelt" das von seiner Umgebung durch doppelte Stoffbespannung
ebenso leicht wie effektiv künstlich separiert ist, klammert den visuellen
Aspekt der künstlerischen Gestaltung von Raum und Zeit so weit wie möglich
aus, um die auditive Rezeption der artifiziell kreierten, virtuellen KlangRäume
zu intensivieren.
Da auch der für die Orientierung und Lokalisierung so wichtige Sichtkontakt
zur Schallquelle Lautsprecher durch leichte, blickdichte aber schalldurchlässige
Stoffwände verhindert wird, ist es möglich, irreal-imaginäre
"ErlebnisKlangRäume" zu realisieren, in denen wiederum real bewegte
Klänge - nur mit dem Ohr wahrgenommen - als amorphes Kontinuum von flüchtigen
und ungreifbaren Zuständen und akustischen Atmosphären erlebt werden
können.
Paradoxerweise
werden künstliche Räumlichkeiten von Klang an sich, durch reale Bewegung
desselben noch gesteigert. Man muß also, um das "Klangzelt"
adäquat rezipieren zu können, "live" vor Ort sein, um u.a.
den Unterschied zwischen künstlich produzierten Räumlichkeiten im
Stereobild und der Künstlichkeit der psychischen, "inneren" Raumwahrnehmung,
die durch real von Lautsprecher zu Lautsprecher eine räumliche Distanz
zurücklegende Klänge hervorrufen, miterleben zu können.
In wiederum künstlich, in einem realen Raum installierten "Hörinseln",
die - dem Hören mit Kopfhörern ähnlich - den realen Raum vor
Ort durch allseitige Stoffbespannung weitestgehend ausschließen, um die
artifiziell produzierten Räumlichkeiten der Raumklangkompositionen selbst
authentischer wahrnehmbar zu machen, wird es also möglich sein, neuartige
Hörerfahrungen zu erleben, die u.a. zu Irritationen des "normalen"
Raum- und Zeitempfindens führen können. Im besten Falle evoziert das
Klangkunstwerk eine - zwischen imaginärem, psychischen Innenraum und "realem",
physikalischen Außenraum - frei fließende RaumZeiterfahrung.
5. Der konzertante RaumklangKörper
Der konzertante RaumklangKörper repräsentiert eine spezielle Art der RaumklangInstallation. Die wichtigsten Kriterien dieser ausschließlich auf den Klang konzentrierten Raumklang-Installationsart sind:
Als
Beispiel sei hier die im Frühjahr 2002 entstandene RaumklangKomposition
"TopoSonic Lines n´Rooms with Instruments" für einen 12-gliedrigen
konzertant erfahrbaren RaumklangKörper mit 8 Lautsprechern und 4 Instrumentalisten
(Perc., Fl., Clar., Ob.) genannt. Als Auftragswerk des AUDI-Kulturfonds wurde
die Arbeit speziell auf die Architektur des "museum mobile" in Ingolstadt
abgestimmt. Dem kreisrunden Aufführungsraum entsprechend wurden die Lautsprecher
und die Instrumentalisten, wie auf der abgebildeten Skizze (Abb.10) zu ersehen
ist, um das sitzende Auditorium herum gruppiert. Der Instrumentalpart der RaumklangKomposition
berücksichtigt durch eine entsprechende Instrumentation, gleichermaßen
wie das digitale 8-Kanal-Tonband, Aspekte der Raumklangbewegung, wodurch ein
gemeinsam "agierender" 12-gliedriger RaumklangKörper entsteht.
Afterword
by Ralf Nuhn and John Dack
There is, of course, no compulsion
for artists ever to write about their practice. The histories of all the arts
have bodies of artworks with little or no corroborating evidence from those
who produced them. The theory is there, of course, but it is in the work and
we must disentangle it if we choose to analyse the work. However, since the
beginning of the last century and the institutionalisation of art there has
been a marked increase in texts written by practising artists who want to (or
feel obliged to) communicate the processes and underlying aesthetics of their
work. These might be texts written to emphasise a personal role in an art-form's
historical development - how many claim to have "invented" minimalism
or conceptual art, for example? Other authors are deliberately polemical such
as the young Boulez condemning as "useless" all those who failed to
recognise the necessity of serialism. Some, due to their role as teachers theorise
their practice within a pedagogical framework. For the theoretician or critic
all these writings provide valuable source material. Any form of self reflection
will almost certainly be appropriated by the academic community as an invaluable
research resource. It is an important way in which intellectual and aesthetic
discourses are created and sustained.
The sound installation
categories of <sabine schäfer // joachim krebs> described in the
article have been developed in the context of their own unique and original
practice. The absence of references to other artists indicates neither unfamiliarity
with the world of installation art, nor excessive introspection. As artists
who write about their work, their principal responsibility in this article is
to provide a coherent account of their own practice. Our role as translators
is to render the text accurately into English. However, due to our close contact
with the text and its authors, a secondary contextualising role has emerged.
Once a typology has been suggested it is available to everyone and can be used
with or without modifications to see if additional works can be included within
its categories. Some will be placed easily, others will resist inclusion. Both
results can be informative.
For example, the circumambulatory
Space-soundBody (category 2) is, broadly speaking, identical to sound sculptures
in general. Both terms refer to a three-dimensional object which can be walked
around and which emits sounds in different directions. One could, therefore,
place sound sculptures such as Stephan von Huene's Extended Schwitters (1987),
Trimpin's Liquid Percussion (1991) and Rolf Julius' Zwei Steine (1999) in this
category.
However, a clear distinction must be made. <sabine schäfer // joachim
krebs> emphasise that, due to the use of multi-channel recordings and individual
loudspeakers, the limbs of their Space-soundBody can emit different sounds.
This use of specific sounds from each limb would differentiate their works from
those cited (with the possible exception of Trimpin's Liquid Percussion). Nevertheless,
this does not contradict the initial classification. The consideration of the
specific role of sounds simply adds a further stage of refinement.
The first category - the Space-soundObject - can also be applied in this way.
In this two-dimensional arrangement, sound is emitted in one direction. Similar
examples are Takehisa Kosugi's Interspersions (1987) and Christina Kubisch's
The True and the False (1992). In both these works small speakers are mounted
on walls in plant-like configurations with the loudspeaker wires resembling
stalks. The distinct character of each work depends, naturally, on the specific
lighting, the position within the venue, the object's dimensions and (most importantly)
the sounds used by the artists. By including these works in the category of
Space-soundObject these individual features are not disregarded. The defining
aspect of the category is still the directionality of the speakers and the restriction
placed on the viewer's position. Additional examples can be suggested for the
other categories.
As the enterable Space-soundBody (category 3) has loudspeakers placed on the
walls of the space at various heights and positions, the visitor can move freely
in order to experience different auditory perspectives. An obvious historical
example would be the Philips Pavilion at the Brussel's World Fair in 1958. Though
in this case the movement of the sounds and the accompanying images were more
important than the "sonification" of the space as such. Other examples
are Bernhard Leitner's Ton-Raum (1984) and Ryoji Ikeda's A (2000). In the latter
case pure sinewaves and random noises were played within a narrow, purpose-built
corridor. The acoustic properties of this, albeit simple, space created different
listening experiences for the visitors. By walking at different speeds and by
changing direction along the corridor, the visitor could locate and pass through
distinct "sound areas".
Examples of the fourth category - Space-within-Space - are less common. This
type is based on a self-contained enterable Space-soundBody within the confines
of a gallery or a similar space. Consequently, such a Space-soundBody is also
circumambulatory. Once again, a potential example can be found in the works
of Bernhard Leitner. His Cylindre Sonore (1987) is a cylindrical space containing
24 loudspeakers. The sounds emitted are modified by natural factors such as
temperature, humidity and light. Our sole reservation regarding this work as
Space-within-Space is that is it situated in the open air rather than within
a venue with clear, architecturally defined acoustic characteristics. However,
the visitor to Leitner's space will experience both the sounds within the cylinder
and the sounds from outside.
Finally, the five criteria of the final category - the concert Space-soundBody
- conform to certain electroacoustic compositions where live instrumentalists
play in conjunction with recorded sounds. Even though an exploration of the
specific characteristics of the venue is not the principal objective, the practice
of sound diffusion is necessarily influenced by the venue's acoustics. No electroacoustic
composer would minimise the importance of this relationship which will, therefore,
have a decisive effect on the work as a whole. For example, Stockhausen's Kontakte
für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug (1959-60) has a fixed
form and audience-instrumentalist relationship. In addition, the use of four
channel tape and the positioning of the loudspeakers and musicians will ensure
the intimate connection between the electronic sounds, the live sounds and the
concert space.
From these examples
it is clear that the typology suggested by <sabine schäfer // joachim
krebs> suits some works but needs modification for others. It must be stressed
that this particular typology was the end result of the work and practice of
<sabine schäfer // joachim krebs>. This is its unique quality and
its strength. Had it been developed by a theoretician, musicologist or art historian
the problematic nature of several of the aforementioned examples might well
have been addressed by creating sub-categories. However, in our initial attempts
the additional refinements usually resulted from considering the types of sounds
and how they were used by the artist. This specificity was clarified by an initial
categorisation. It is our opinion, therefore, that the origins of these five
categories in the works of <sabine schäfer // joachim krebs> does
not preclude their general applicability. The art of the sound installation
is still relatively new and this typology is an important addition to its theoretical
framework.