Dr. John Dack

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Middlesex University, London

 

 

Das Künstlerpaar <sabine schäfer // joachim krebs>

 

 

 

Im Englischen gibt es keine genaue Entsprechung für das Wort "Künstlerpaar". Eine Annäherung wäre höchstens "artist-couple" oder "artist-pair". Dabei handelt es sich um mehr als ein nettes Wortspiel. Jeder, der sich mit den Werken und der Arbeitsweise von <sabine schäfer // joachim krebs> beschäftigt, stellt fest, dass dieser Begriff, mit dem die beiden Künstler sich seit 1995 bezeichnen, seine besondere Berechtigung hat.

 

 

Natürlich hat es die Zusammenarbeit unterschiedlicher Künstler immer gegeben, etwa zwischen Komponist und Librettist. Aber solch klare Aufgabentrennungen entsprechen der Arbeitsweise des Künstlerpaars <sabine schäfer // joachim krebs> nicht. Beide Künstler haben natürlich jeweils für sich verschiedene Interessen und Fachgebiete entwickelt, die interagieren, ja manchmal sich vielleicht sogar widersprechen können. Doch entstehen gerade aus der gemeinsamen künstlerischen Arbeit Werke von einzigartiger Ausdruckskraft. Und so hat diese "Synthese" zweier individueller künstlerischer Begabungen neue Formen hervorgebracht.

 

 

Sicher, in den Biographien der beiden Künstler lassen sich viele Berührungspunkte finden. Beide sind in Karlsruhe geboren, beide haben an der dortigen Hochschule für Musik Klavier und Komposition studiert.

 

 

In den 80er Jahren war Sabine Schäfer sowohl als Komponistin wie auch als Musikerin an zahlreichen interdisziplinären Projekten beteiligt. Ihr Interesse für die Elektroakustik führte zu Experimenten im Bereich der Mikrotonalität und zu Untersuchungen über die künstlerische Nutzung von system-exklusiven Daten digitaler Klangerzeuger. Mehrere Preise und Stipendien ermöglichten ihr, ihre Studien auf den Gebieten der digitalen Klangsynthese, des computergesteuerten Selbstspielklaviers und der Raumklangsteuerung an verschiedenen Instituten wie beispielsweise dem CCRMA in den USA, dem niederländischen Institute of Sonology in Den Haag und dem ZKM in Karlsruhe fortzusetzen. Mit der künstlerischen Entwicklung der "TopoPhonien" kreierte Sabine Schäfer zu Beginn der 1990er Jahre ein Raumklangkunst-Projekt, für das sie 1993 den Siemens- Medienkunstpreis erhielt. Im Rahmen dieses Projekts entstand in Kooperation mit der Universität (TH) Karlsruhe und des ZKM Karlsruhe auch ein eigenes, exklusives Raumklang-Steuerungssystem, mit dem die Künstlerin eine Vielfalt von Klanginstallationen realisierte.

 

 

Joachim Krebs war ab 1968 bis Ende der 70er Jahre Mitglied der Gruppe "Checkpoint Charlie", eine der ersten deutschen, politisch engagierten, experimentellen Rocktheatergruppen. Dann hätte er die Laufbahn eines konventionellen zeitgenössischen Komponisten einschlagen können (die Verleihung des Bonner Beethoven-Preises und die Auszeichnung mit dem BRD-Stipendium für die Villa Massimo in Rom sowie zahlreiche Aufführungen bei bedeutenden internationalen Festivals zeitgenössischer Musik in den 80er Jahren sind nur einige Beispiele für seine Erfolge in diesem Gebiet). Doch sein Interesse für die außereuropäische Musik - das sich bis zu Beginn der 90er Jahre in vielfältigen Konzerttätigkeiten als Musiker in unterschiedlichsten interkulturellen Formationen repräsentierte - wie auch der frühe und innovative Einsatz des digitalen Samplers ab 1985 als "Konzert-Instrument" kennzeichneten bereits die Suche nach einer neuen musikalischen Sprache, die Joachim Krebs ab Mitte der 90er Jahre u.a. mit der Entwicklung des Projekts "Artificial Soundscapes" formulierte, das vor allem den "mikroskopierten" Natur- und Tierklang in den Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses stellt.

 

 

Bei gründlicher Betrachtung der jüngeren Werke des Künstlerpaars ist die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit der Rolle der Technik in Klang und Musik hervorzuheben. Sabine Schäfer arbeitete von 1981 bis 83 im Studio für Elektronische Musik der Universität (TH) Karlsruhe. Bereits in den frühen 60er Jahren schuf Joachim Krebs Tonband-Klangcollagen. Ihr gemeinsames Bemühen seit 1995 um eine Erweiterung und Vertiefung ihres Ausdruckspotentials mit Hilfe der Technik führte zur Produktion von "Klangkunst" bzw. "Sound Art". Darüber hinaus gewähren sie mit zahlreichen Publikationen unschätzbare Einblicke in ihre schöpferischen Arbeitsweisen und den notwendigen technischen Mitteln zur Durchführung.

 

 

Unter Klangkunst fallen ganz unterschiedliche Kunstformen, und beide Künstler beschäftigen sich auch immer wieder mit der radiophonen Kunst, d.h. die Klänge stehen im Mittelpunkt und werden nicht durch visuelle Mittel unterstützt. Doch ihre bedeutendsten Leistungen erbrachten sie in der Entwicklung von RaumklangInstallationen. Diese (grundsätzlich raumspezifischen) Installationen sind nicht nur durch die Anordnung der Lautsprecher im Raum charakterisiert, sondern auch durch die Klänge selbst und deren spezifischer Raumklangbewegung.

 

 

Das Künstlerpaar hat verschiedene Arten von RaumklangKörpern jeweils für die entsprechenden Aufführungssituationen und -orte entwickelt. Besondere Sorgfalt verwenden die Künstler auf die Anordnung von Lautsprechern zu "Gliedern" dieser RaumklangKörper. Denn aus diesen Gliedern ergibt sich ein Repertoire von Bewegungen - kontinuierlich, oszillierend oder diskontinuierlich -, wodurch der ausgewählte Raum spezifisch zum Klingen gebracht wird. Um manche der Installationen kann der Besucher herumgehen, andere kann er betreten, um verschiedene Hörperspektiven zu erleben. In anderen Installationsarten ist sogar die Beteiligung von live spielenden Instrumentalisten in konzertähnlichen Situationen möglich. Die akustischen Eigenschaften eines Raums zeigen und erschließen sich dem Besucher aufgrund der verwendeten Technik.

 

 

Die Wahl des Begriffs "RaumklangKörper" zeigt, wie wichtig dem Künstlerpaar der "organische" Charakter der verwendeten Klänge ist. Sie haben ihren Ursprung in der Welt des Menschen, der Tiere oder der Natur, wobei Gesang, Sprache und Instrumentalklang jedoch in der Regel nicht zur Anwendung kommen. Während einer wichtigen Phase in der Werkproduktion, in der das vorgefundene Klangmaterial untersucht wird, wird die innere Struktur der Klänge mittels des Digital-Samplers erforscht (ein Prozess, den das Künstlerpaar "EndoSonoSkopie" nennt), um das innere (Klang-)Gefüge mit seinen mikroskopischen Feinstrukturen hörbar zu machen. Dieses daraus entwickelte Klangvokabular initiiert eine Reihe von subtilen Diskursen zwischen den sich im ständigen Übergang befindlichen Klängen der RaumklangInstallationen und den inneren psychologischen Räumen des Besuchers. Ereignisse und Erinnerungen werden wachgerufen, die zwischen Bekanntem und Unbekanntem changieren.

 

 

So wird der Besucher dieser Raumklang-Installationen Räume nicht leblos oder leer empfinden, sondern, durch Klang und Bewegung belebt, erfahren. Die Raumklang-Installationen von <sabine schäfer // joachim krebs> stehen exemplarisch für eine wahre Übereinstimmung von menschlicher Wahrnehmung und der technischen Vermittlung von Klang.

 

 

Dr. John Dack
Musikwissenschaftler
Lansdown Centre for Electronic Arts
Middlesex University, London

 

Publikation in: Booklet-Text der DVD-/CD-Veröffentlichung "AquaAngelusVox", erschienen bei MDG 2004, MDG-924 1254-5

 

 

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